Wunde | Wunder

7 Fragmente

op. 73, 2017/18

I. Ich bin
II. die Schöpfung
III. die Wunde
IV. der Ungläubige
V. die Bereitschaft
VI. die Transformation
VII. die Seele der Rose

Für Schlagzeug solo und Ensemble
Dauer: 24 min.

Kompositionsauftrag der Bayerischen Staatsoper
Uraufführung: 4. März 2018, Allerheiligen-Hofkirche, München. Schlagzeug: Claudio Estay, Kammerensemble der Bayerischen Staatsoper, Dirigentin: Konstantia Gourzi.

 

Werknotiz

Das Stück Wunde | Wunder, 7 Fragmente ist eine musikalische Reaktion auf das Jahresthema der Staatsoper „Zeig mir Deine Wunde“. Das Thema ist überfrachtet mit Bedeutungen – in der Literatur, der Kunst, der Musik, der christlichen Tradition etc. Ich habe mich entschieden, auf den essentiellen Kern zu blicken und zu fragen: Was ist eine Wunde, wie betrachtet man sie, und was passiert, wenn man sie wahrgenommen hat? Dieser dritte Schritt, die Frage, was „nach der Wunde“, „nach dem Schmerz“ kommt, das hat mich am stärksten fasziniert. Wunde und Wunder – diese beiden Erfahrungen unterscheiden sich nur durch einen Buchstaben …

Ich habe mich von drei Bildern inspirieren lassen: Michelangelos „The Creation of Adam“, 1512 (Die Erschaffung Adams), Caravaggios „The Incredulity of Saint Thomas“, 1603 (Der Ungläubige Thomas) und John William Waterhouse‘s „The Soul of the Rose“, 1908 (Die Seele der Rose). Zu den Bildern sind auch drei Gedichte entstanden, die am Anfang dieser Arbeit von der Schriftstellerin Ioanna Bourazopoulou und von mir geschrieben wurden.

Die Dramaturgie der Komposition ist wie ein innerer Dialog des Solisten, wie klingende Schritte des Bewusstseins. Sieben Stücke, sieben unterschiedliche Klangsituationen, die nacheinander gespielt werden, als ob sie ein ganzes Stück wären. Die eine Klangsituation übergibt an die nächste – so wie Aktion und Reaktion, als ob die Musik und der Solist selbst eine Befreiung und Erlösung suchten. Die Namen der Sätze sind dafür ein „Programm“.

Die Musik startet mit der Kadenz des Solisten und damit steht schon von Anfang an das Ich im Vordergrund. Starke, furiose Rhythmen und Melodien, atmosphärische Klänge, die zwischen Ensemble und Solisten entstehen, bilden einen fragmentarischen musikalischen Dialog eines Selbst mit seiner „Wunde“. Die Frage, ob die Wunde zum Wunder führen kann, wird klanglich und dramaturgisch in diesem Stück bearbeitet.

SCHÖPFUNG
Ich bin der Schöpfer von Himmel und Erde,
allen Seins, des Sichtbaren wie des Unsichtbaren.
Ich schuf dich nach Meinem Bilde, so dass du kein Antlitz hast
und dich bis in alle Ewigkeit plagen musst, um Mir zu gleichen,
du dir in einem fort Seele, Leib und Atem marterst
um den Auftrag, den unerfüllbaren, zu erfüllen.

DAS MAL DER NÄGEL
Ich bin die Schuld meiner Unzulänglichkeit.
Eingeschlagene Nägel meiner Gedanken und Worte
töten alles was ich liebe und was ich glaube.
Ein tyrannisches und unstillbares Verlangen ist es mir,
ungläubig und beharrlich das Mal zu ergründen
der Wunden, die ich hervorgerufen.

RÜHR MICH NICHT AN
Bis ich in Deinem Lichte meinen Schatten erkannte,
die Spiegelung meiner Existenz,
die weder dämonisch ist noch rein und lauter,
nicht tadellos, aber auch nicht abstoßend,
lediglich wahrhaftig in ihrer Unvollkommenheit
und harmonisch in ihrer Ungleichmäßigkeit.

Und dort, in meines Geistes flatterhafter Regung,
vergaß ich vollends, dass Wunden ich besitze
und das warme Blut war Leben
und mein offner Leib
eine Arche in den Abgründen der Unendlichkeit.

Gedichte: Ioanna Bourazopoulou und Konstantia Gourzi
Übersetzung aus dem Griechischen: Theo Votsos

 

Hörbeispiel